Nachdem wir
das Spiel im Rahmen einer deutsch-englischen Fachkräftefortbildung
kennengelernt haben, wurde es von uns mehrere Male eingesetzt, da wir der
Ansicht sind, daß es sich um eines der besten Spiele in dieser thematischen
Richtung handelt.
Die folgende Spielbeschreibung ist eine Übersetzung des englischen
Originals der christlichen Einrichtung Christian Aid, die das Spiel entwickelt
hat. Nur in einigen Punkten wurden Ergänzungen eingefügt, die
aus unseren Erfahrungen mit dem Spiel resultieren.
Die ursprüngliche englische Fassung ist in einer Kopie über den
Verein Monimbó zu erhalten: Verein Monimbó, 63128 Dietzenbach,
Darmstädter Str. 23, 06074-26891, FAX 06074-44601 oder direkt über
Christian Aid, London SE1 7RT, PO Box 100
Das Spiel soll
den SpielerInnen helfen, besser zu verstehen, wie Handel den Wohlstand
eines Landes beeinflussen kann.
Unser Planet ist geteilt: die nördlichen industrialisierten Länder
wie Nord-Amerika, Europa oder Japan besitzen einen wesentlich höheren
Lebensstandard als die Länder Latein-Amerikas, Afrikas oder Asiens.
Diese Unterschiede können auf viele Weise erklärt werden, aber
es ist klar, daß das Gefälle zwischen reichen und armen Ländern
durch eine Welthandelsordnung, die die stärkeren, besser organisierten
Länder mehr als die schwächeren bevorzugt, nicht nur beibehalten,
sondern mehr und mehr vertieft wird.
Das World Trading Game versucht zu veranschaulichen, wie Welthandel zur
Zeit abläuft. Das Spiel kann dabei nur ungefähre Umrisse sehr
verwickelter Beziehungen und Abhängigkeiten wiedergeben. Das Ziel
des Spiel ist aber nicht, Informationen zu vermitteln, sondern ein Basisverständnis
der Gründe zu verdeutlichen, die diese Beziehungen bestimmen.
Das Spiel wurde entwickelt, um deutlich zu machen, wie der Ablauf
und die Auswirkungen des Handels die ökonomische Entwicklung eines
Landes fördern oder behindern können.
Das Spiel zielt darauf ab, auf spannende und un-pädagogische Art und
Weise Interesse und Auseinandersetzung über das Thema Welthandel anzuregen.
Normalerweise sind Diskussionen über das Thema Welthandel ziemlich
langatmig und langweilig. Nach dem Spiel wird es den SpielerInnen erfahrungsgemäß
sehr wichtig sein, über ihre Erfahrungen und Einfdrücke während
des Spiel zu sprechen und sich darüber auszutauschen.
Dieser Austausch wird zuerst sehr wenig inhaltlich sein, an erster Stelle
werden persönliche Eindrücke stehen, wie Frustration, Wut, Schadenfreude,
Freude über das Erfolgserlebnis usw.. Die Aufgabe der Spielleitung
ist es, den Bogen zwischen den persönlichen Eindrücken und den
realen Verhältnissen zu spannen.
Dies wird dann zu einer intensiven und sehr wenig langweiligen Auseinandersetzung
über Welt-handelsbeziehungen führen.
Das Spiel sollte in Verbindung mit weiteren Informationen eingesetzt werden.
Denkbar wäre der Einsatz des Spiels als Teil eines Seminars zum Thema
oder als eine Einheit in einer Reihe von Unterrichtstunden.
Das Spiel ist geeignet für SpielerInnen ab 14 Jahren, kann allerdings
ohne Probleme für jüngere SpielerInnen geändert werden.
Die ideale Gruppengröße beträgt 15-30 SpielerInnen. Sollte
die Gruppe größer sein, sollte überlegt werden, ob zwei
Spiele parallel gespielt werden können.
Da die Regeln und das Spielmaterial einfach und leicht zu beschaffen sind,
ist das Spiel für ein breites Spektrum von Einsatzbereichen geeignet:
Schulklassen, Jugendgruppen, Seminare, Bürgerinitiativen usw..
Das Spiel zusammen mit der notwendigen Nachbereitung braucht mindestens zwei Stunden Zeit. Wenn die SpielerInnen ein gutes Hintergrundwissen zum Thema haben, kann die Spieldauer mit Nachbereitung erheblich länger werden.
Die Formen sollten sehr exakt sein.
Es werden drei Sätze dieser Formen benötigt, wovon zwei Sätze
den A-Gruppen ausgeteilt werden und eine die Bank erhält um die eingetauschten
Produkte nachkontrollieren zu können.
Gruppe | Land | Material | vergleichbar mit: |
---|---|---|---|
1 | A | 2 Scheren, 2 Lineale1, Satz Formen, 1 Blatt Papier, 4 Bleistifte, 6 Geldscheine | England, Italien, Bundesrepublik, USA, Frankreich, Kanada, Japan |
2 | A | 2 Scheren, 2 Lineale1, Satz Formen, 1 Blatt Papier, 4 Bleistifte, 6 Geldscheine | England, Italien, Bundesrepublik, USA, Frankreich, Kanada, Japan |
3 | B | 10 Blatt Papier, 2 Geldscheine | Indien, Brasilien, Peru, Nigeria |
4 | B | 10 Blatt Papier, 2 Geldscheine | Indien, Brasilien, Peru, Nigeria |
5 | 6 | 4 Blatt Papier, 2 Geldscheine, 2 Bleistifte | Tansania, Kenia, Burma, Ghana |
6 | 6 | 4 Blatt Papier, 2 Geldscheine, 2 Bleistifte | Tansania, Kenia, Burma, Ghana |
Form | Preis |
---|---|
Kreis | 500.00 |
Halbkreis | 200.00 |
Gleichseitiges Dreieck | 150.00 |
Rechteck | 300.00 |
Gleichschenkliges Dreieck | 200.00 |
Teile die Gruppe in 5-6 Kleingruppen der gleichen Größe
und weise ihnen einen Tisch zu. Jede Gruppe erhält dann das in der
Tabelle angegebene Material in einem großen Umschlag. Die Umschläge
dürfen erst geöffnet werden, wenn das Spiel offiziell beginnt.
Die A-Gruppen sollten entfernungsmäßig der Bank und den Plakaten
mit den Formen am nächsten sitzen, die C-Gruppen am weitesten entfernt.
Euer Ziel:
"Das Ziel jeder Gruppe ist es, durch die Verarbeitung der verteilten
Materialien mit den ebenfalls verteilten Hilfsmitteln so viel Geld wie
möglich zu verdienen. Die hergestellten Produkte sind die auf den
Plakaten gezeigten Formen. Jede Form hat ihren eigenen Wert. Die Formen
können in Paketen von mindestens fünf Stück zur Weltbank
gebracht werden, der den entsprechenden Gewinn gutschreibt.
Je mehr ihr herstellt, desto reicher könnt ihr werden"
Regeln:
"Es gibt nur vier sehr einfache Regeln:
(Unter Umständen kann es sinnvoll sein, als 5. Regel einzuführen, daß immer nur eine SpielerIn sich von ihren Tisch entfernen darf, um zu handeln, oder Produkte zur Bank zu bringen. Besonders mit jüngeren SpielerInnen oder sehr großen Gruppen kann das Spiel sonst sehr schnell chaotisch und unübersichtlich werden)
Nachdem den Gruppen erlaubt worden ist, ihre Umschläge zu öffnen
wird das Spiel zuerst sehr chaotisch werden und die SpielerInnen werden
dich mit Fragen bombardieren, wie: "Wir haben keine Schere! Warum
nicht?", "Können wir noch eine Schere bekommen?", "Dürfen
wir tauschen?", "Können wir Scheren leihen?".
Wiederhole entweder die Spielregeln, oder sag´ garnichts!
Nach diesem chaotischen Einstieg werden die Gruppen beginnen, durch den
Raum zu gehen, sich umzuschauen und vermutlich zu handeln.
Der Anstoß dazu sollte von ihnen kommen, nicht von dir.
Laß´ das Spiel weiterlaufen. Durch deinen Einfluß
können dem Spiel immer wieder neue Impulse gegeben werden, aber benutze
deine Möglichkeiten nicht dazu, das Spiel in die Länge zu ziehen.
Wenn du das Gefühl hast, die Handelsbeziehungen haben sich auf einem
stabilen Level eingependelt und könnten ewig so weiterlaufen, solange
es nur genug Papier gibt, brich´ das Spiel ab. Wenn die einhellige
Meinung der SpielerInnen ist, gerne noch weiterspielen zu wollen, hast
du den richtigen Zeitpunkt erwischt.
Was passiert?
Die A-Gruppen werden sehr bald beginnen, mit Schablonen, Linealen,
Stiften und Scheren ihr Papier zu verarbeiten, da sie alles Notwendige
besitzen. Allerdings werden sie ziemlich bald knapp an Rohstoffen werden,
und versuchen, neue von den anderen Gruppen zu kaufen.
Zuerst wird der Preis für Papier sehr niedrig sein, aber wahrscheinlich
werden sich die "Terms of Trade", die Welthandelspreise, sehr
bald ändern. Achte darauf. Du bist die einzige Person, die diese Veränderungen
beobachten kann, die SpielerInnen werden in ihren Gruppen beschäftigt
sein, daher ist es wichtig, daß du auf diese Veränderungen achtest,
ebenso auf Abmachungen, Bündnisse und Handelsgeschäfte.
Die C-Gruppen und möglicherweise die B-Gruppen werden zuerst ziemlich
verblüfft vor ihrem Material sitzen und garnichts tun. Möglicherweise
wird das Gefühl der Unfähigkeit, irgendwie zu agieren, dazu führen,
daß sich die SpielerInnen frustriert aus dem Spiel ausklinken. Du
solltest Möglichkeiten vorbereiten, um dies zu verhindern.
Einige Möglichkeiten werden weiter unten erklärt.
Grundsätzlich kannst du das Spiel auf zwei Weisen beeinflussen: entweder
du gibst geheime Nachrichten an einzelne Gruppen, oder öffentliche
Nachrichten an alle.
Du kannst nach einiger Zeit die Produktpreise ändern, so daß
bspw. die reichen Gruppen feststellen, daß ihre Kreise garnicht mehr
so wertvoll sind.
Für diese Änderungen ist eine Absprache zwischen SpielleiterIn
und Bank notwendig. Das Spiel wird komplexer, aber auch aufwendiger für
die Spielleitung, wenn die Preise mit Angebot und Nachfrage fallen und
steigen.
Cleveren SpielerInnen gibt dies die Möglichkeit, Produkte einer Kategorie
zu horten, oder Kartelle zu bilden und so die Preise zu manipulieren.
Du kannst dir auch neue Anwendungsbereiche ausdenken, die die Preise für
bestimmte Produkte plötzlich in die Höhe schnellen lassen.
Aus deinem Vorrat an Papier kannst du neue Rohstoffe ins Spiel bringen.
Gib´ einer Gruppe zusätzliche Rohstoffe und verkünde, daß
neue Rohstofflager in einem Land entdeckt worden sind.
Wenn dies spät im Spiel gemacht wird, wenn die Rohstoffen schon weltweit
knapp geworden sind, kann das sehr schnell Handelsbeziehungen und Produktpreise
verändern.
Du kannst auch anderes Papier ins Spiel bringen, das entweder mehr oder
weniger wertvoll ist.
In der englischen Spielbeschreibung wird außerdem die Verwendung
von buntem Papier erläutert, von dem die B-Gruppen ohne Erklärung
über Sinn und Nutzen je einen Bogen erhalten.
Den A-Gruppen wird geheim die Mitteilung gemacht, daß ihre Produkte
vier mal soviel wert sind, wenn sie jeder Produktlieferung ein Stück
dieses farbigen Papiers im Format 2x2 cm beilegen.
Du kannst ein oder zwei Ländern während des Spiels Entwicklungshilfe
gewähren, vorausgesetzt, diese sind bereit, die damit verbundenen
Auflagen zu erfüllen.
Denkbar wäre beispielsweise, daß die technologische Entwicklungshilfe
in Form einer Schere bedeutet, daß ein Drittel aller damit hergestellten
Produkte ohne Gewinn an die Bank zurück gegeben werden müssen.
Es kann auch sein, daß reichere Länder ärmeren Ländern
Entwicklungshilfe gewähren. In diesem und ähnlichen Fällen
solltest du notieren, was passiert, wie die Abmachungen sind, was sich
aus dieser Entwicklungshilfe in den Beziehungen der beteiligten Länder
ergibt, usw.. In der Nachbereitung können deine Beobachtungen wertvoll
für eine Diskussion über Motive und Absichten sein, die der Entwicklungshilfe
zugrunde liegen.
Während des Spiels können Bündnisse entstehen. Es ist sehr wichtig, Wesen und Auswirkung dieser Abkommen zu beobachten: handelt es sich um eine umfassende Union zweier Länder, betrifft das Abkommen eher die gemeinsame Nutzung von Technologie oder ist die Absicht eine gemeinsame Vermarktung?
Mächtigere Länder können ärmeren Ländern das Angebot machen, sie zu schützen oder sie als Teil ihres Landes aufzunehmen. Auch hier ist es wichtig, den Ablauf und die Vereinbarungen zu beobachten und zu notieren.
Es kann vorkommen, daß reichere Länder versuchen, durch Verbote oder Vergünstigungen den Handel zwischen anderen Ländern zu beeinflussen, etwa indem sie Zuwiderhandelnde von weiterer technologischer Unterstützung ausschließen, oder dies zumindest androhen.
Die Gruppen mit dem meisten Papier können übereinkommen,
ihre Vorräte gemeinsam zu vermarkten, und so Einfluß auf den
Preis zu nehmen.
Für dich ist wichtig zu beobachten, ob diese Kartelle Bestand haben,
oder ob sie doch über kurz oder lang für nationale Vorteile verraten
werden.
Ähnlich verhält es sich hier. Länder mit großen Rohstoffvorräten können den Verkauf reduzieren, oder ganz einstellen, in der Hoffnung, die Marktpreise zu ihren Gunsten zu verändern oder Vorräte für die Zukunft anzulegen.
Du selbst kannst in einem Land für einige Minuten die Scheren einziehen, um einen Streik zu simulieren.
Es kann sinnvoll sein, von den Gruppen in regelmäßigen
Abständen Lebenshaltungskosten einzuziehen. Diese werden entweder
bar bezahlt, oder vom Konto der Gruppen der der Bank abgezogen. Ganz nach
Entscheidung der SpielleiterIn können diese Kosten gleich sein, oder
je nach Ländergruppe variieren.
Unter Umständen kann diese Regeländerung auch hilfreich sein,
wenn sich eins oder zwei C-Gruppen frustriert zurücklehnen, da sie
für sich keine Möglichkeit sehen am Spiel teilzunehmen. Mitunter
wird als Begründung genannt, daß das Land ja 200,- in Geldscheinen
besitzt, und das dieser Betrag auch ausreicht, um über die Runden
zu kommen. Die Bezahlung regelmäßig wiederkehrender Kosten kann
den Impuls für diese Gruppe(n) geben, sich im Spiel zu engagieren.
Es liegt auf der Hand, daß die A-Gruppen zu Beginn des Spiels
verstärkt Kreise und Halbkreise produzieren werden, da sie als einzige
über Schablonen verfügen.
Es ist ebenso offensichtlich, daß die Herstellung dieser Formen wesentlich
mehr Papierabfall nach sich zieht, als die Herstellung von Recht- und Dreiecken.
Folge ist, daß sich bei den A-Gruppen nicht mehr verwertbare Reste
auf dem Tisch sammeln.
Dies gibt der Spielleitung die Möglichkeit, auch die Themenbereiche
Umweltverschmutzung, bzw. Müllexport in das Spiel einzubeziehen.
Das Angebot, Müll aus den reicheren Länder bei sich zu lagern,
gibt den ärmeren Ländern die Chance trotz ihrer schlechten ökonomischen
Lage Geld zu verdienen.
Um Müll zu einem Problem zu machen, kann die Spielleitung bestimmen,
daß eine SpielerIn eines betroffenen Landes gesundheitlich dermaßen
angeschlagen ist, daß sie nicht mehr am Handel und an der Produktion
teilnehmen darf.
Anfang
Erstellt am 22.05.1996 - letzte Änderung
am: 22.05.1996
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